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Für die Technik von morgen: Von Quantenpunkten zu Quantentechnologien

Dieter Bimberg

Diese Aufnahme mittels Querschnitts-Rastertunnelmikroskopie zeigt GaSb/GaAs/GaP-Quantenpunkte, die mithilfe der Gasphasenepitaxie an der TU Berlin gewachsen wurden.

Quantentechnologien ermöglichen Durchbrüche bei Halbleiter-Bauelementen und neuartige Anwendungen wie etwa Quantenkryptographie.

Die Eigenschaften elektronisch nulldimensionaler Quantenpunkte in Halbleiter-Heterostrukturen unterscheiden sich fundamental von jenen in höherdimensionalen Strukturen wie Quantengräben. In Quantenpunkten ist die Energie von Ladungsträgern keine Funktion des Impulses. Ihre Eigenschaften gleichen jenen von Atomen, die in einer dielektrischen Matrix eingebettet sind. Basierend auf Gasphasen- oder Molekularstrahlepitaxie wurden in den letzten Jahren photonische und elektronische Bauelemente entwickelt, die völlig neue Anwendungen ermöglichen. Dazu gehören Quantenkryptographie, neuartige nichtflüchtige Speicher und ein energieeffizientes, hochbitratiges Internet.

Das Zeitalter der Informationsgesellschaft ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann mit der Entwicklung siliziumbasierter Verbindungen und Technologien. Die Herstellung integrierter elektronischer Schaltkreise (SiICs) begann vor etwa 60 Jahren. Zu ihren ersten kommerziellen Anwendungen gehörten Hörgeräte. Heute sind siliziumbasierte integrierte Schaltkreise Bestandteil fast aller Alltagsgegenstände und Grundlage der Informationsgesellschaft.

Verfahren wie Molekularstrahlepitaxie (MBE) oder Gasphasenepitaxie (MOCVD) zur Herstellung von Materialien, deren Ausdehnung in allen drei Raumdimensionen nur wenige Nanometer beträgt, also von „nulldimensionalen“ Quantenpunkten, und deren Einbettung in andere Materialien, eröffnen heute völlig neue Möglichkeiten, quantenmechanische Effekte einzusetzen. Ziel dabei ist es, elektronische und damit auch optische und elektrische Eigenschaften komplexer Strukturen gezielt zu ändern. Diese Eigenschaften hängen von der Form und Größe der Quantenpunkte ab. Deren Ausdehnung in allen drei Raumrichtungen sollte unter der De-BroglieWellenlänge der Ladungsträger liegen, damit die Quantenmechanik dominiert. Quantenpunkte ermöglichen neuartige elektronische und photonische Bauelemente. Drei Beispiele hierfür, die auf einem, wenigen und sehr vielen Quantenpunkten basieren, werden unten beschrieben.

Diese Artikel wurde zuerst abgedruckt im Physik Journal 8/9, 2020.

Die Entdeckung neuer physikalischer Effekte in den einfachsten niederdimensionalen Halbleiterstrukturen – zweidimensionalen Quantengräben – und deren Nutzung für Halbleiterlaser geht wesentlich auf die Arbeiten von zwei Physikern bei den Bell Labs zurück. Ray Dingle und Charles Henry reichten 1976 ein Patent über Quantengrabenlaser ein. Dabei beschrieben sie als Vorteile der reduzierten Dimensionalität unter anderen eine verringerte Schwellstromdichte, bei der die Laseremission einsetzt. Sie zeigten, wie sich die Zustandsdichte von Elektronen beim Übergang von drei zu zwei und schließlich eindimensionalen Strukturen ändert. Diese Änderungen gelten als bestimmender Faktor für alle Eigenschaften des Materials und deren Bauelemente.

Erst viel später betrachteten zwei japanische Gruppen an der Universität Tokio und am Tokyo Institute of Technology (TIT) nulldimensionale Strukturen. Die Gruppe um Suematsu am TIT berechnete 1986, dass sich der Materialgewinn um einen Faktor 20 vergrößert und die Schwellstromdichte gleichermaßen für Quantenpunkt-basierte Laser sinkt, die auf InP oder GaAs-basierten Heterostukturen beruhen. Diese theoretischen Betrachtungen gingen von Heterostrukturen aus, deren unterschiedliche Schichten identische Gitterkonstanten besitzen. Vor dreißig Jahren galt dies als Voraussetzung für defektfreie Strukturen und ist bis heute Bestandteil der Technologie vieler photonischer Bauelemente. In den darauffolgenden acht Jahren gab es enorme Anstrengungen, um die Vorteile derartiger Quantenpunkt-basierter Laser zu demonstrieren. Dies gelang auf Basis der seinerzeit verwendeten Technologien aus verschiedenen Gründen nicht, woraufhin die internationalen Aktivitäten rasch abklangen.

Oberflächenphysiker klassifizieren die Wachstumsmodi für das kohärente Wachstum eines Materials auf einem zweiten Material in drei Gruppen. Für den Fall identischer Gitterkonstanten, zum Beispiel AlGaAs auf GaAs, ergibt sich häufig ein zweidimensionales Wachstum Monolage auf Monolage – mit Stufen und Rauigkeiten. Bei unterschiedlichen Gitterkonstanten können kohärent dreidimensionale Cluster wachsen. Alternativ kann bei Strukturen mit unterschiedlichen Gitterkonstanten im Stranski-Krastanov-Wachstumsmodus zuerst eine (ebenfalls raue) und wenige Monolagen dicke Benetzungsschicht entstehen, auf der dann dreidimensionale Cluster wachsen. Die theoretische Beschreibung dieses Wachstums ist komplex, da sowohl Gitterkonstanten-Fehlanpassung mit der elastisch anisotropen Wachstumsoberfläche als auch kanteninduzierte Verspannungen vorliegen. Zudem ändern die Verspannungen die Oberflächenrekonstruktion und bewirken eine Renormalisation der Oberflächenenergien der Inseln und der Benetzungsschicht. Für die Dynamik des Wachstums bei realen Temperaturen sind kinetische Effekte wichtig.

Die experimentell in meiner Arbeitsgruppe erstmals identifizierte und dann theoretisch bestätigte Selbstorganisation an verspannten Oberflächen setzt voraus, dass Atome an der Oberfläche ausreichend beweglich sind, was bei den typischen Wachstumstemperaturen der Quantenpunkte von einigen hundert Grad der Fall ist.

Aufnahmen mit dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) einer einzelnen Schicht von (InGa)As/GaAsQuantenpunkten zeigen die theoretisch vorher gesagte Pyramidenstruktur. Die einander selbst ähnlichen Quantenpunkte sind in einem quadratischen Muster angeordnet. Die Kanten der Grundfläche zeigen entlang der [100]- und [010]-Richtungen, da alle III-V-Verbindungen eine elastisch anisotrope (001)-Oberfläche besitzen. Eine Pyramidenform der Quantenpunkte in einer Einzelschicht haben wir sowohl für MOCVD als auch MBE-Wachstum von (InGa)As/GaAsQuantenpunkten mittels Querschnitts-TEM und Tunnelspektroskopie nachgewiesen. Die Form prägt dabei die elektronischen Eigenschaften.

Querschnitts-TEM-Aufnahmen gestapelter Quantenpunktschichten zeigen, dass sich die Quantenpunkte in den Schichten aufgrund der langreichweitigen elastischen Verspannungen vollständig defektfrei übereinander anordnen lassen. Dies ist von größter Bedeutung für unterschiedlichste Varianten Quantenpunkt-basierter Diodenlaser, die je nach Anwendung elektronisch gekoppelt oder ungekoppelt zu wachsen sind. Der überlegene Materialgewinn einer Einzelschicht lässt sich durch die defektfreie Stapelung in einen modalen Gewinn, der größer als die Verluste ist, umsetzen. Dies erklärt die real von uns gefundene geringste Dichte des Schwellenstroms aller Diodenlaser und die sonst unerreichte Effizienz bei der Umwandlung elektrischer in optische Energie.

Das verspannungsinduzierte selbstorganisierte Wachstum von Quantenpunkten ist universell. GaN-basierte Laser, die im Sichtbaren emittieren, besitzen Quantenpunkte als aktive Schichten. Exotische Beispiele sind die wenig erforschten InAs/SiQuantenpunkte für die Silizium-Photonik oder GaSb-Quantenpunkte auf (AlGa)P mit GaAs-Zwischenschichten für neuartige Nanoflashspeicher, die weiter unten beschrieben sind. Bei einem GaSb/GaAs/GaP-Quantenpunkt, der mittels Gasphasenepitaxie hergestellt wurde, sind einander benachbarte Oberflächen der Quantenpunktpyramiden inäquivalent zueinander (s. Titelbild). Dies ist von entscheidender Bedeutung für die im nächsten Abschnitt diskutierten elektronischen Eigenschaften: Quantenpunkte vierzähliger pyramidaler Form besitzen keine vierzählige, sondern nur eine zweizählige Symmetrie der elektronischen Eigenschaften.

Für jegliche quantitative Modellierung elektronischer und exzitonischer Eigenschaften von Quantenpunkten ist es essenziell, deren Form und Zusammensetzung auf atomarer Ebene zu kennen. Eine Kombination von Draufsicht- und Querschnitts-Transmissionslektronenmikroskopie zusammen mit Rastertunnelmikroskopie stellt diese Daten zur Verfügung. So enthüllte die Querschnitts-Rastertunnelspektroskopie beispielsweise, dass die Konzentration von Indium in (InGa)As-Quantenpunkten von unten nach oben zunimmt.

Basierend auf diesen Mikroskopie-Daten berechneten wir das Verspannungsfeld eingebetteter Quantenpunkte mittels Kontinuumstheorie. Die piezoelektrischen Potentiale inklusive quadratischer Effekte lassen sich daraus ableiten (Abb. 2). Unsere erste physikalisch durchsichtige quantitative Berechnung der elektronischen Struktur der Quantenpunkte beruhte auf einem numerischen Bandstrukturmodell (8-Band-k∙p-Theorie) unter Berücksichtigung der piezoelektrischen Effekte. Die wichtigsten Ergebnisse gelten universell für alle III-V-Quantenpunkte gewachsen auf (001)-Substraten:

  • Die Zustandsdichten und elektronischen Niveaus sind durch Delta-Funktionen zu beschreiben.
  • Jeder Zustand ist zweifach entartet, ist also nur mit zwei Ladungsträgern zu besetzen (Spinentartung).
  • Es gibt keine Zustände „freier“ Ladungsträger mit einer impulsabhängigen Dispersion der Energie, wie in ein- bis dreidimensionalen Strukturen.
  • Bei Besetzung mit mehr als einem Ladungsträger sind diese über die Coulomb-Wechselwirkung korreliert, die von der Größe des Quantenpunkts abhängt. Diese Abhängigkeit kann daher zu positiver oder negativer Bindungsenergie des Biexzitons, positiver oder negativer Austauschaufspaltung führen. Diesen Effekt gibt es in der Atomphysik nicht.
  • Mit Elektronen und Löchern besetzte Quantenpunkte besitzen ein eingebautes Dipolmoment, da die Schwerpunkte der Elektronen und Lochwellenfunktionen nicht identisch sind.
  • Analog zur Berechnung der Wellenfunktionen in Übergittern sind diese auch für vertikal gekoppelte Quantenpunkte möglich. Das für viele Bauelemente wichtige Verhältnis zwischen transversal elektrischer (TE) zu transversal magnetischer (TM) Polarisation ist als Funktion des Abstands der aktiven Schichten einstellbar.

Abb. 2 Die piezoelektrischen Isopotentialoberflächen für ± 50 meV (blau bzw. rot) einer vierseitigen (InGa)As/GaAs-Quantenpyramide zeigen deutlich die Reduktion auf zweizählige Symmetrie.

Coulomb-Wechselwirkung, anisotrope Austauschwechselwirkung und Korrelation beeinflussen stark und abhängig von Form, Größe und Materialverteilung die Vielteilchenzustände, also beispielsweise Exzitonen und Biexzitonen. Die Austauschwechselwirkung hebt die vierfache Entartung des exzitonischen Grundzustands auf und führt zu einer Aufspaltung in je zwei optisch aktive und inaktive Zustände. Die oben erwähnte Erniedrigung der Symmetrie des Quantenpunkts sorgt nun dafür, dass sich der exzitonische Grundzustand weiter aufspaltet (Abb. 3). Bemerkenswerterweise werden automatisch polarisierte Photonen emittiert, und die Polarisation wird nach der Rekombination des ersten Elektron-Loch-Paares eines exzitonischen Moleküls auf die Rekombination des Exzitons vererbt. Damit stellt die Rekombination eines Exzitons oder Moleküls in einem einzelnen Quantenpunkt eine natürliche Quelle von Quantenbits (Qubits) dar. Diese Polarisation der Emission eines einzelnen Quantenpunkts haben wir mittels Kathodo- oder Mikrophotolumineszenz-Spektroskopie von einzelnen Quantenpunkten in Kombination mit Schattenmasken demonstriert (Abb. 4). Bei der Kathodolumineszenz übernimmt ein stark fokussierter Elektronenstrahl bei geringen Beschleunigungsspannungen in einem modifizierten Rasterelektronenmikroskop die Rolle der Anregung.

Abb. 3 Rekombinationskaskade des Biexzitons und des Exzitons eines InAs/GaAs-Quantenpunkts ohne (links) und mit (rechts) piezoelektrischen Effekten. EFS ist die Feinstrukturaufspaltung, x und y zeigen die Richtung der linearen Polarisation an.

Die Kombination grundlegender Prinzipien der Quantenmechanik mit moderner Informationstheorie erlaubt es, inhärent sichere Verschlüsselungssysteme für die Datenübertragung zu entwickeln. Einer der ersten und bekanntesten Vorschläge dafür ist das BB84-Protokoll von Bennet und Brassard. Die „Quantum Information Science and Technology Road Map“ oder die im März 2020 von der IEEE verabschiedete „International Roadmap for Devices and Systems“ verlangen die Entwicklung kostengünstiger praktischer Quellen einzelner Qubits und verschränkter Photonen, um BB84 und spätere Protokolle zu realisieren.

Abb. 4 Das Lumineszenz-Spektrum eines Exzitons in einem einzelnen (InGa)As/GaAs-Quantenpunkt zeigt nur einen scharfen Peak (links), der im rechten Teil samt Polarisation vergrößert dargestellt ist.

Bettet man einen einzelnen Quantenpunkt in eine p-i-n-Struktur ähnlich eines modifizierten oberflächenemittierenden Lasers ein, so resultiert eine Quelle von „Qubits on demand“ mit Raten im Gbit/sBereich.

Kontrolliertes Wachstum mittels MBE oder MOCVD von (InGa)/GaAs-Quantenpunkten sehr geringer Dichten von etwa 108 cm–2 haben wir sowohl unter als auch über Oxidaperturen realisiert. Dabei gelang es, derartige Quantenpunktschichten in p-i-n-Strukturen mit Distributed-Bragg-Reflektor-Spiegeln einzubetten und damit elektrisch gepumpte resonante Mikrokavitäten herzustellen (Abb. 5). Infolge des Purcell-Effekts erhöht sich bei diesen die Rate der Emission. Diese ist zudem gerichtet und besitzt eine hohe Quantenausbeute. Derartige Bauelemente haben wir mittels eines elektrischen Pulsgenerators bei einer Pulsdauer von 350 ps und einer Wiederholrate von 1 GHz betrieben (Abb. 6). Der Wert der Autokorrelationsfunktion g(2) (0) = 0,05 bewies, dass ein Emitter von einzelnen Qubits vorliegt.

Abb. 5 Der Querschnitt eines elektrisch getriebenen Qubit-Emitters mit einem Bragg-Spiegel zeigt die Lage des Quantenpunkts oberhalb der Oxidapertur sowie den Stromfluss.

Quantenkommunikation über größere Distanzen erfordert „Quantenrepeater“, die auf verschränkten Photonen basieren können. Ein vielversprechender Vorschlag zu ihrer Realisierung beruht auf der Biexziton-Exziton-Rekombinationskaskade. Hierfür sollte die Feinstrukturaufspaltung Null sein. Das ist möglich, da dieser Wert über die Größe des Quantenpunkts einstellbar ist. Externe Felder können hierzu ebenso beitragen. Eine möglicherweise einfachere Alternative stellt das Wachstum der Quantenpunkte auf einem (111)-orientierten Substrat dar. Die dort nun dreifache Symmetrie der Quantenpunktzustände erniedrigt sich durch piezoelektrische Effekte nicht weiter. Die exzitonischen Zustände bleiben also entartet. Ein kristallographisch äquivalenter Ansatz beruht auf Wurtzit-Strukturen wie GaN/AlN-Quantenpunkten. Diese besitzen wesentlich größere Lokalisationsenergien der Ladungsträger und Exzitonen. Damit sind sie thermisch stabiler. Dies könnte hochfrequente Qubit-Emission bei Raumtemperatur ermöglichen. Ein bei 300 K funktionierendes, darauf basierendes Modul würde nicht mehr als ein heute gebräuchliches LED-Modul kosten. Bis dahin ist jedoch noch einiges an Forschung notwendig.

Abb. 6 Optische Antwort eines Einzelphotonenemitters auf ein elektrisches 1-GHz-Signal mit Pulsbreiten von 350 ps zusammen mit einer Simulation einer Antwort unter der Annahme von 400-ps-Pulsen (a). Hanbury-Brown-Twiss-Korrelationsmessungen zeigen ein klares Antibunching (b). Die rote Kurve stellt die Simulation eines perfekten Einzelphotonenemitters unter Berücksichtigung der limitierten Zeitauflösung des Aufbaus von 0,7 ps dar.

Ladungsbasierte elektronische Speicher lassen sich im Wesentlichen durch zwei unterschiedliche Klassen von Bauelementen realisieren, nämlich (S,D)RAMs (Static, Dynamic Random Access Memory) mit Lese und Schreibzeiten schneller als 15 Nanosekunden. Die Information ist flüchtig mit einer Speicherzeit von nur einigen Millisekunden. Daher ist es erforderlich, die Information schnell wieder aufzufrischen, was viel Energie verschlingt. Etwa 1015 solcher Schreib-Lesezyklen sind heute im Betrieb möglich, bevor Fehler auftreten. Flash-Speicher sind hingegen nicht flüchtig und besitzen Speicherzeiten von mehr als 10 Jahren, allerdings langsame Schreibzeiten von etwa 10 Millisekunden. Hier sind die Ladungsträger in einer Siliziumschicht zwischen zwei SiO2-Barrieren einer Höhe von 3,2 eV lokalisiert. Nur 106 Schreib und Löschzyklen sind möglich, bevor Defekte durch die Injektion heißer Elektronen in der Barriere den Speicher zerstören. Sie eignen sich daher nicht als Arbeitsspeicher bei Rechnern.

Die durch das Mooresche „Gesetz“ beschriebene stetige Verkleinerung der einzelnen Elemente von Speicherschaltkreisen und die damit einhergehende enorme Vergrößerung der Speicherdichte dank Weiterentwicklung der Lithographie wird absehbar enden. Damit hat die Suche nach neuen Ansätzen zukünftiger Speicherkonzepte begonnen. Ein Speicher, der die Funktionalität von DRAM und Flash kombiniert, also nur einen Typ von Speicher im Rechner erfordert, würde Rechnerarchitekturen revolu tionär vereinfachen und den Energieverbrauch von Rechnern jeglicher Größe enorm verringern. Dies gilt als „heiliger Gral“ der Speicherentwicklung.

Auf der Speicherung von Löchern in einem Ensemble weniger Quantenpunkte beruhende Quantenpunkt-Flash-Speicher könnten dieser heilige Gral sein. Selbstorganisierte Quantenpunkte in Typ II-Heterostrukturen, basierend auf III-V-Verbindungen, ermöglichen es, die Barrierenhöhe viel einfacher als mittels SiliziumTechnologie zu modifizieren. Im Ergebnis sind nichtflüchtige Speicher mit Informationslebensdauern von mehr als 100 Jahren und all den Attributen eines DRAMs wie schnellen Zugriffszeiten im ns-Bereich realisierbar. Bei einer Quantenpunkt-Flash-Zelle bestehend aus einem modulationsdotierten Feldeffekttransistor, in den eine Lage von Quantenpunkten zwischen einem zweidimensionalen Lochgas (2DHG) und dem Gate eingebettet ist, wird der Ladungszustand über die Gatespannung kontrolliert, während das Auslesen mittels des zweidimensionalen Lochgases erfolgt (Abb. 7).

Abb. 7 Ein solcher Quantenpunkt-Flash-Speicher wurde bereits in verschiedenen III-V-Materialsystemen realisiert.

Nach ersten explorativen Arbeiten an Typ I-InAs/(AlGa)As-Quantenpunkten, bei denen Elektronen und Löcher lokalisiert waren, erkannten wir, dass Typ II-Strukturen, bei denen nur die Löcher lokalisiert sind, entscheidende Vorteile aufweisen. In einer Typ II-Struktur überträgt sich die Bandkantendiskontinuität voll auf die Lokalisationsenergie, die letztlich die Speicherzeit bestimmt. Löcher haben eine etwa zehnmal größere effektive Masse als Elektronen und damit eine viel geringere Tunnelwahrscheinlichkeit, was die Speicherzeit im Vergleich zu Elektronen erhöht (Abb. 8). Die Speicherzeit von Ladungsträgern hängt sowohl von der Lokalisationsenergie als auch vom Einfangquerschnitt ab. Nachgewiesen haben wir bislang Loch-Speicherzeiten von knapp vier Tagen für das speziell für diesen Zweck mittels MBE und MOCVD hergestellte GaSb/GaAs/GaP Typ II-Quantenpunktsystem (Abb. 1).

Abb. 8 Die Speicherzeit von Ladungsträgern – hier sind überwiegend Löcher in Typ II-Strukturen auf halblogarithmischer Skala über 40 Zehnerpotenzen gegen deren Lokalisationsenergie für eine Schar von sieben unterschiedlichen Einfangquerschnitten gezeigt – wird offensichtlich durch beide Parameter beeinflusst.

Wachstumsmodifikationen und ein Übergang zur chemisch gering modifizierten Variante (InGa)Sb/GaAs/(AlGa)P ermöglichen es, Lokalisationsenergien von 1,9 bis 2 eV und damit Speicherzeiten von weit mehr als 100 Jahren zu erreichen (horizontale Linie in Abb. 8). Bereits heute eignen sich diese Strukturen als nichtflüchtige SRAMs äquivalenter Speicherdichte. Vorteile lochbasierter QuantenpunktFlashSpeicher ergeben sich aus der Zahl von Lochniveaus, die einerseits klar getrennt sind, jedoch dicht genug sind für einen Multi-Level-Speicher. Von besonderem Vorteil ist, dass sich die Quantenpunktmatrix GaP auf sehr viel größeren 12-Zoll-Silizium-Substraten wachsen lässt – ohne Preisnachteile gegenüber vorhandenen Si-SRAMs.

Bereits unsere ersten Untersuchungen belegten, dass der Materialgewinn von Stranski-Krastanov-Quantenpunktschichten tatsächlich um Größenordnungen über jenem eines identischen dreidimensionales Materials liegt und sogar größer ist als theoretisch vorhergesagt. Quantenpunktschichten lassen sich einfach stapeln, sodass auch der modale Gewinn in Quantenpunktlasern so groß oder größer ist als in vergleichbaren Quantengrabenlasern. Eine frühe Beobachtung von uns war jene effizienter Laseremission bei Wellenlängen von 1,3 µm und in metamorphen Strukturen, also Strukturen mit geringen Defektdichten, mit Emission jenseits von 1,5 µm, mittels GaAs-basierter Bauelemente. Die spontane Lebensdauer eines Exzitons in einem Quantenpunkt ist dort aufgrund seiner starken Lokalisation kürzer als in einem Quantengraben. Daher kann die Quantenausbeute auch in einer Struktur mit Defekten gut sein. Eingang in viele heutige Produkte finden Quantenpunkte in nitridbasierten LEDs und Laserdioden, die sogar hohe Defektdichten haben.

Wellenlängen im IR-Bereich lassen sich mit GaAs-basierten Quantenpunktlasern erreichen, da die Emission der Quantenpunkte über ihre Größe und die Komposition der Barriere durchstimmbar ist. Eine effiziente Emission bei 1,3 µm war zuvor nur mittels InP-basierter Quantengrabenlaser möglich. In den direkt darunter liegenden Wellenlängenbereichen gab es keine Diodenlaser. Im Vergleich zu Quantengrabenlaser haben Quantenpunktlaser wesentlich geringere Schwellstromdichten. Zudem ist ihr Schwellstrom bis etwa 70 °C in den von uns entwickelten Strukturen nahezu nicht von der Temperatur abhängig. Damit sind diese in vielen Fällen im Modul ohne kosten- und energieaufwändige Peltier-Kühlung zu betreiben. Der Energieverbrauch von Quantenpunkt-Lasermodulen ist somit viel geringer. Im Folgenden soll eine wesentliche Anwendung GaAs-basierter Quantenpunktlaser im Fokus stehen, die dazu dient, Frequenzkämme zu erzeugen und für effiziente Datenübertragung im Terabit/s-Bereich zu nutzen.

Aufgrund der Selbstähnlichkeit besitzen Quantenpunkte identische Symmetrieeigenschaften, ohne aber selbst identisch zu sein. Die Emission eines 1 mm langen und 100 µm breiten Kantenemitters mit 1011 Quantenpunkten pro Quadratzentimeter in der aktiven Zone basiert auf der Emission von hundert Millionen unterschiedlichen Quantenpunkten, von denen jeder auf einer minimal anderen Wellenlänge emittiert. Die Überlagerung dieser Emissionen führt zu einer Gauß-förmigen Einhüllenden mit einer Halbwertsbreite von 30 bis 100 meV, die in Grenzen durch Änderung der Wachstumsbedingungen zu kontrollieren ist.

Die spektrale Halbwertsbreite und die Breite eines emittierten Pulses auf der Zeitskala sind mittels einer Fourier-Transformation miteinander korreliert. Je größer die spektrale Halbwertsbreite, desto geringer ist die Pulsbreite. Die Kopplung der Phasen der longitudinalen Moden eines Lasers erlaubt somit Pulse, deren Dauer und Wiederholrate weit jenseits der intrinsischen Bandbreite eines direkt modulierten Lasers liegen. Die Möglichkeit, Pulse einer Breite von einigen hundert Femtosekunden mittels passiver Modenkopplung im Telekom-O- oder -C-Band zu erzeugen, resultiert aus der Gauß-Verbreiterung. Mithilfe der Überlagerung der Emission lassen sich zudem viele ultraschnelle Pulse unterschiedlicher Wellenlänge in Halbleiter-Verstärkern (Wellenlängen-Multiplexen) ohne Übersprechen gleichzeitig verstärken.

Modengekoppelte Halbleiterlaser, die optische (als auch elektrische) Pulsfolgen emittieren, entwickeln sich zurzeit zum Rückgrat optischer Nachrichtentechnik mit hoher Bitrate. Sie kommen als optische Uhren zum Einsatz, zur Erzeugung von Frequenzkämmen und in Kombination mit Modulatoren als Transmitter für optische Zeitmultiplexsysteme. Bei letzteren werden Frequenzkämme einander phasenverschoben überlagert. Passive moden gekoppelte Halbleiterlaser sind kostengünstig herstellbar, da sie neben dem Laser mit dem sättigbaren Absorber nur ein zusätzliches Element im Resonator besitzen. Beide benötigen eine Gleichstromversorgung von wenigen Volt. Der Absorber ermöglicht einen Selbststart der Pulsemission ohne externe Radiofrequenzquelle.

Wir haben gezeigt, dass sich derartige Quantenpunkt-basierte modengekoppelte Halbleiterlaser, die bei 1,3 µm emittieren, innerhalb von Pikosekunden bei ausreichender Sperrspannung erholen. Solche Laser erlauben es mit einer 160-GHz-Pulsfolge, Datenraten von 160 Gb/s zu übertragen (Abb. 9). Bei modengekoppelten Halbleiterlasern variiert die Eintreffzeit aufeinander folgender Pulse (zeitlicher Jitter) aufgrund spontaner Fluktuationen der Photonendichte, was zu verstärkter spontaner Emission führt. Dieser Jitter begrenzt die nutzbare Frequenz bzw. Bandbreite. Im Vergleich zu Quantengrabenlasern ist der Jitter bei modengekoppelten Quantenpunktlasern jedoch wesentlich geringer.

Abb. 9 Dieser Pulskamm eines modengekoppelten Quantenpunktlasers mit Chirp-Kompensation bei 160 GHz wurde aus einem 80-GHz-Kamm mittels Zeitmultiplexen erzeugt. Die schwarze Kurve zeigt die Autokorrelationsmessung. Der entfaltete Kamm ist blau gepunktet.

Unabhängig von der Emission entwickelt sich im Spektrum eines modengekoppelten Quantenpunktlasers mit zunehmendem Strom ein immer breiteres hutartiges Ensemble von Longitudinalmoden, die sich in ihrer Spitzenleistung um weniger als 3 dB unterscheiden. Der Grund hierfür liegt darin, dass Quantenpunkte nur maximal zwei Ladungsträger pro Niveau speichern können und daher bei Injektion von Ladungsträgern schnell sättigen (Abb. 10).

Abb. 10 Die longitudinalen Moden eines InAs/GaAs-Quantenpunktlasers sind hutartig verteilt, wenn der Grundzustand der Quantenpunkte bei hohen Strömen in die Sättigung geht. Bei geringeren Strömen resultiert eine Gauß-artige Modenverteilung.

Separiert man die 40 einzelnen Moden mittels schmalbandiger Filter und moduliert diese mit schnellen Modulatoren, ermöglichen Quantenpunktbasierte Bauelemente Übertragungsraten von etwa 6,4 Terabit/s. Mehrere Arbeitsgruppen weltweit arbeiten derzeit an deren Demonstration und dem Einsatz in Netzen jeglicher Reichweite. Der Bedarf nach höheren Datenraten steigt durch die Nutzung neuer Dienste wie Netflix oder Bitcoin exponentiell an. Mittels Quantenpunktlaser lassen sich somit vorhandene Netzinfrastrukturen besser nutzen. Dies verringert gleichzeitig die Kosten sowie den Energieaufwand für die Lichtquellen.

Die elektronischen und optischen Eigenschaften von Halbleiter-Quantenpunkten lassen sich quantitativ modellieren, wie hier beschrieben wurde. Die Modellierung beruht auf der detaillierten strukturellen Charakterisierung mit atomarer Auflösung. Die im Vergleich zu klassischen Festkörperstrukturen „seltsamen“ Eigenschaften sind durch die Quantennatur bestimmt und experimentell verifiziert. Beispielhaft wurden neuartige Quantenbauelemente vorgestellt, die auf einem, wenigen oder Millionen von Quantenpunkten beruhen. Die Herstellung solcher Bauelemente mittels epitaktischer Quantentechnologien gelingt für Modellsysteme. Deren riesiges Anwendungspotenzial ist jedoch bei weitem nicht ausgeschöpft und inspiriert weiterhin die weltweite Forschung.

Danksagung: Einer großen Zahl engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die immer wieder mit eigenen Ideen zum Fortschritt dieser neuen Forschungsrichtung beitrugen und über für unsere Gesellschaft nützliche Anwendungen nachdachten, sei herzlich gedankt. Ohne ihr Engagement wären die hier vorgestellten Ergebnisse nicht zustande gekommen. Durch ihre finanzielle Unterstützung haben die DFG über mehrere SFBs, das BMBF unter anderem mittels des VIPProgramms, die EU mittels EFRE, der Berliner Senat, die Leitung der TU Berlin, die Aixtron AG und in der Anfangsphase die Volkswagenstiftung mit der Finanzierung der Kooperation mit Russland die notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Dafür bin ich dankbar.

Dieter Bimberg. "Von Quantenpunkten zu Quantentechnologien“ Physik Journal. 2020. 8/9. 39 ff. Copyright Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. Reproduced with permission.


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