Das Szenario:
Liebesgrüße aus Leipzig, dem einst größten Bordell Europas. Nachdem eine alte Dame erhängt in einem Hotelzimmer aufgefunden wurde, ermitteln Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) in einem Fall, der sie in die DDR kurz vor der Wende zurückführt. Es geht um Stasi-Schnüffeleien und Devisengeschacher, um Saufgelage und Sexdienstleistungen. Tätigkeiten und Transaktionen, die damals zur Messesaison in Leipzig stets auf Hochtouren gelaufen sein sollen. Eben deshalb wird die sächsische Metropole hier einmal »der größte Puff Europas« genannt.
Der Clou:
Dieser Krimi ist ein Paradebeispiel dafür, wie man mit kurzen pointierten Dialogen eine ganze vergangene Ära heraufbeschwören kann. Schenk wird im Verlauf der Handlung von einer Frau (Ulrike Krumbiegel) entführt, die in die Leipziger Tausch- und Rauschgeschäfte involviert war und die dem Ermittler nun davon berichtet: So fühlte er sich an, der große DDR-Ausverkauf.
Das Bild:
Schenk wird von einem ehemaligen Stasi-Schergen namens »der schöne Jens« mit einem knallbuntem Kinderwassergewehr bedroht. Der Kommissar muss kichern, sein Gegenüber spricht finster: »Das ist Batteriesäure!«
Der Dialog:
Der Ermittler und seine Entführerin reden über den Überwachungsstaat und die Sexgeschäfte, die in ihm getätigt wurden.
Er: »Waren Sie wirklich nur der etwas überdurchschnittliche IM von nebenan?«
Sie: »Ich war ein nachrichtendienstliches Juwel. Topmitarbeiterin. Top Ten laut Aussage meines damaligen Führungsoffiziers.«
Er: »Kategorie?«
Sie: »Ficken fürs Vaterland. Nicht nur, aber vorwiegend.«
Schenk: »Kennen Sie Peter Wagner von damals?«
Sie: »Nein.«
Er: »Müssen Sie aber. Sie haben mit ihm geschlafen.«
Sie: »Tja, ich habe mit Hunderten Männern geschlafen. Bei den letzten 100 habe ich mir dann 'ne halbe Flasche Wodka reingezogen, um es zu vergessen, um es zu ertragen. Hat auch funktioniert. Die letzten fünf DDR-Jahre habe ich im Koma verbracht. Im Sommer 90 bin ich aufgewacht.«
Der Song:
»Cut My Wings« von Seasick Steve. Der Blues des US-Rootsrock-Sängers läuft, während Schenk und seine Entführerin Gas auf der Landstraße geben.
Die Bewertung:
9 von 10 Punkten. Die Dialogpower macht es möglich: Im tiefsten Westdeutschland erwacht ein dunkles Kapitel der ostdeutschen Geschichte zum Leben.
Die Analyse:
Lesen Sie bitte hier weiter!
»Tatort: Der Tod der Anderen«, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste
0 Response to "ARD-Sonntagskrimi: Der Köln-»Tatort« im Schnellcheck - DER SPIEGEL"
Post a Comment