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Sie zünden die Bombe - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Mit dem Fernsehauftritt von Meghan und Harry, Herzogin und Herzog von Sussex, bei der amerikanischen Talk-Queen Oprah Winfrey erreicht das schillernde Mediendrama um den Rückzug der beiden aus dem Dienst für die britische Monarchie als „Senior Royals“ am Montag einen neuen Höhepunkt. Vorab-Ausschnitten zufolge, mit denen der Sender CBS in den vergangenen Tagen das neunzigminütige Gespräch bewarb, ist das Ganze ein großes Herzausschütten, aber auch eine Abrechnung mit dem Königshaus.

An dramatischen Gesten mangelt es nicht: In dem Interview trägt Meghan Markle ein Armband ihrer 1997 bei einem Autounfall in Paris ums Leben gekommenen Schwiegermutter Diana; Harry verbindet Dianas Verfolgung durch Paparazzi mit seiner eigenen Entscheidung, dem Buckingham Palace den Rücken zu kehren. „Meine größte Sorge war, dass sich die Geschichte wiederholt“, sagt er. Markle selbst wirft dem Palast gezielte Rufschädigung mit „Unwahrheiten“ vor, offenbar mit Bezug auf die jüngst in der Londoner „Times“ veröffentlichten Anschuldigungen von Palastmitarbeitern, Markle habe Angestellte drangsaliert.

Im Januar vor einem Jahr hatte das Paar auf Instagram seinen Rückzug von den königlichen Pflichten verkündet und war nach einem Umweg über Kanada schließlich nach Los Angeles in Meghans Heimat übergesiedelt. Seither tobt eine Schlammschlacht. Eigentlich hatte das Königshaus eine „Probefrist“ für die Entscheidung des Paars, sich aus der königlichen „Firma“ zurückzuziehen und mit eigenen Karrieren finanziell unabhängig zu werden, bis Ende März vereinbart. Aber die Queen zog schon Mitte Februar einen Schlussstrich, was vielfach als Reaktion auf das Oprah-Interview gewertet wurde. Die Monarchin verkündete, dass ihr Enkel und seine Frau ihre offiziellen Aufgaben und Schirmherrschaften verlören und Harry seine militärischen Ehrentitel einbüße. Der Rückzug mache es unmöglich, „weiter der Verantwortung und den Pflichten gerecht zu werden, die einem Leben im Dienste der Öffentlichkeit innewohnen“, hieß es in einem Statement der Königin. Das Herzogspaar konterte: „Wir alle können ein dienstbares Leben führen. Anderen zu dienen ist universell.“

Privatleben – und wie man es öffentlich vermarktet

Freilich läuft die öffentlichkeitswirksame Positionierung von Meghan und Harry den Diskretionsregeln des britischen Königshauses zuwider, beginnend mit dem 1936 ausgegebenen Motto der späteren Queen Mum, „never complain, never explain“ – nie klagen, sich nie erklären. Der PR-Rummel amerikanischer Promis ist damit nicht vereinbar.

Die Grenze zwischen Privatleben und Marketing ist bei Meghan und Harry fließend. Im November schrieb die Herzogin für die „New York Times“ über eine Fehlgeburt, die sie kurz zuvor erlitten hatte. In Amerika gehören solche Promi-Geständnisse über intimste Erlebnisse zum guten Ton – nicht zuletzt steigert man mit ihnen den eigenen Medienwert.

Es herrscht denn auch kein Zweifel daran, dass das Interview mit Oprah Winfrey, einer Art Beichtmutter der Nation, für Meghan und Harry ein lukratives Geschäft ist, selbst wenn sie tatsächlich keine Gagen bekommen sollten. In Großbritannien brach ein Bieterkrieg unter den Fernsehsendern um die Rechte an der Ausstrahlung aus, den ITV mit 1,7 Millionen Pfund für sich entschied. Den amerikanischen Sender CBS soll das Gespräch sieben bis neun Millionen Dollar gekostet haben. Die Werbeeinnahmen während der Sendung dürften die Ausgaben um ein Vielfaches übersteigen. Weiterverkauft wurde die Sendung zudem in rund siebzig Länder in aller Welt. Im deutschen Fernsehen läuft das Interview am Montag von 15 Uhr an bei RTL und um 22.15 Uhr bei Vox.

Erste Einblicke: Harry und Meghan schütten Oprah Winfrey ihre Herzen aus.

Erste Einblicke: Harry und Meghan schütten Oprah Winfrey ihre Herzen aus. : Bild: AP

Bereits nach der Geburt ihres Sohnes Archie im Mai 2019 hatte Meghan Markle einem Bericht der „Daily Mail“ zufolge versucht, ein Fernsehinterview mit der befreundeten CBS-Talkerin Gayle King, der besten Freundin Oprah Winfreys, zu organisieren, in dem sie über ihr neues Leben als Herzogin und Mutter sprechen wollte. Aber Meghan wurde vom Palast ausgebremst, der eine Kränkung der heimischen Presse befürchtete. Die Herzogin hatte im Gegenzug darauf bestanden, dass Gayle King beim ersten Fototermin mit ihrem Baby zugegen war.

Die britische Monarchie hat ihr eigenes Verhältnis zur Presse. Unter anderem räumt der Palast führenden Zeitungen des Landes eine gewisse Exklusivberichterstattung ein. Die Ankündigung von Meghan und Harry im Januar 2020, das sogenannte Royal Rota System zu verlassen und über ihre Presseauftritte selbst zu bestimmen, hatte für Empörung in den britischen Medien gesorgt. Gegen die ausschnittsweise Veröffentlichung eines privaten Briefs wiederum, den Meghan an ihren entfremdeten Vater geschrieben und den dieser an die Presse durchgesteckt hatte, durch die „Mail on Sunday“ zog das Paar vor Gericht. Aber auch die Klagen der beiden über feindselige Berichterstattung fand ein Echo. „Buzzfeed“ veröffentlichte im Januar 2020 eine Gegenüberstellung von britischen Schlagzeilen über Meghan und ihre Schwägerin Kate, die vermeintlich ähnliche Verhaltensweisen der beiden Frauen ganz unterschiedlich werteten.

Freilich sorgen die Beschwerde des Herzogspaars über unfaire Behandlung, Meghans Opfererzählung und der maßlos vermarktete Auftritt bei einer geneigten Journalistin, dessen Verkaufswert sich aus der Veröffentlichung privater Zwistigkeiten mit dem Königshaus speist, nicht nur bei der Queen für Ärger. Im Februar hatte sie dem Bestreben Harrys und Meghans, auf eigene Rechnung zu wirtschaften und dabei zugleich royale Familienbande zu vermarkten, Einhalt geboten. Elisabeth II. untersagte den beiden die Verwendung des Begriffs „Sussex Royal“, mit dem sie sich im Internet aufstellten und den sie als Markenzeichen registrieren lassen wollten.

In Großbritannien kam auch nicht gut an, dass Harry einen Auftritt bei den von ihm selbst gegründeten Invictus Games für kriegsversehrte Soldaten absagte. Die Veranstaltung überträgt Amazon. Meghan und Harry aber haben einen Exklusivvertrag als Produzenten mit dem Konkurrenten Netflix über angeblich 150 Millionen Dollar abgeschlossen und podcasten inzwischen überdies auf Spotify.

Die neuesten Schlagzeilen der britischen Presse über Meghan Markle handeln davon, dass sie Ende Oktober und im November 2018 bei offiziellen Terminen Diamant-Ohrringe trug, die ein Geschenk des saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman waren und deren Wert auf 500.000 Pfund geschätzt wird. Bin Salman gilt als Auftraggeber der Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi, der am 13. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Instanbul emordet wurde. Die Vermutung, dass Bin Salman dahinter stecke, wurde schon wenige Tage nach Khashoggis Verschwinden laut. Bin Salman und die saudische Regierung bestreiten eine Verstrickung.

Als Meghan Markle mit den Diamat-Ohrringen auftrat, hatte sie diese, wie die „Times“ aus London berichtet, als Leihgabe ausgegeben. Das möge sie seinerzeit gesagt haben, teilten ihre Anwälte der Zeitung nun mit. Doch habe sie nie behauptet, die Ohrringe seien bei einem Juwelier ausgeliehen worden und habe daher auch niemanden in die Irre geführt. Dass Bin Salman in den Mord an Khashoggis verwickelt sein könnte, sei ihr nicht bewusst gewesen, und alle wichtigen Mitarbeiter des Königshauses hätten gewusst, woher das Geschmeide stammte.

Auf der anderen Seite des Atlantiks baut sich rund um das Interview von Meghan und Harry bei Oprah Winfrey derweil eine Front gegen das britische Königshaus auf. So tat der Schauspieler Patrick J. Adams, Hauptdarsteller der Serie „Suits“, in der Meghan Markle mitspielte, kund, es sei „unerhört“, dass die britische Königsfamilie einer Frau Mobbing vorwerfe, die aus Großbritannien habe fliehen müssen, um ihre Familie und sich selbst zu schützen. Den britischen Medien warf er „rassistische“ und „verleumderische“ Berichterstattung vor. Falls Meghan sich in dem Interview ausführlich über das angeblich schwierige Verhältnis zu ihrer Schwägerin Kate äußere, stelle dies die „nukleare Option“ dar, wird ein Royals-Experte in der britischen „Sun“ zitiert. So geht es hin und her.

Ein Bein drin und eines draußen, das gehe eben nicht, urteilte die Queen über einen solchen „Megxit“. Die Boulevardzeitschrift „Daily Star“ wurde drastischer: Als Meghan im Februar verkündete, wieder schwanger zu sein, zeigte das Blatt das vom Herzogspaar veröffentlichte Bild mit Balken über den Augen und druckte dazu die Schlagzeile: „Öffentlichkeitsscheue Frau kündigt 7,67 Milliarden Menschen an: Ich bin schwanger.“

Das zweistündige Interview „Oprah with Harry and Meghan“ wird heute Abend von dem amerikanischen Sender CBS um 19 Uhr Ortszeit ausgestrahlt. RTL zeigt es am Montag um 15 Uhr, Vox am Montagabend um 22.15 Uhr. Zu sehen ist das Interview zudem ab 15.20 Uhr im Livestream auf der RTL-Plattform TVNow und ab 22.15 Uhr im Stream bei Vox.

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