Der Comedian Michael Mittermeier, 54, ist ein grundoptimistischer Mensch. »Ich bin einer, der immer das Licht am Ende des Tunnels sieht. Und wenn ich das Licht einmal nicht sehe, suche ich den Lichtschalter«, sagte Mittermeier dem SPIEGEL in einem Interview zum Erscheinen seiner Corona-Chroniken, der Titel: »Ich glaube, ich hatte es schon.«
Es war Ende Oktober, die Politik hatte gerade einen neuen Shutdown beschlossen, der Auftritte von Künstlern bis auf Weiteres unmöglich machte. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Immerhin: Das Buch wurde ein Bestseller.
Und nun? Weiß Mittermeier immer noch, wo der Lichtschalter ist? Oder tapst auch er inzwischen durchs Dunkle?
Mittermeier fordert Konzepte der Kulturpolitik
»Ich sehe gerade viele Kollegen zugrunde gehen«, berichtet Mittermeier. Bekannte Künstler wie er seien privilegiert, weil sie Rücklagen bilden konnten, und noch wichtiger: ein Standing haben. »Wenn die Bühnen wieder aufgehen, wird man die Zugpferde sofort drauf lassen.« All die eher unbekannten Kleinkünstler und Kabarettisten hingegen, so seine Prognose, werden sich erst mal ein halbes Jahr lang unten anstellen müssen. Bühnenstau. »Viele Veranstalter werden es sich einfach nicht leisten können, sie zu buchen und auftreten zu lassen.« Ein Effekt, der viele böse überraschen dürfte: Das Ende der Pandemie ist vielleicht gar nicht das Ende der Auftragsflaute.
Mittermeier denkt bei seinem Appell auch an seinen Bruder Alfred Mittermeier, der ebenfalls als Kabarettist arbeitet, aber nicht so bekannt ist. »Künstler wie mein Bruder müssen für sich damit kalkulieren, wahrscheinlich erst im Frühjahr 2022 wieder als Künstler stattfinden zu können. Das ist schon heftig.« Die Kulturpolitik, fordert Mittermeier, müsse dringend an Konzepten für die Zeit nach der Pandemie arbeiten.
Mittermeier selbst hatte seinen letzten regulären Auftritt am 20. Oktober in Zürich. Ab Juni plant er eine Tour zum Jubiläum seines TV-Parodien-Programms »Zapped!«, mit dem er vor 25 Jahren bekannt wurde. »Die Idee habe ich seit drei Jahren im Kopf, die lasse ich mir von dem Virus nicht zerstören. Ich spiele, egal wo, egal wann.«
Eigentlich wollte Mittermeier gezielt auf den Bühnen auftreten, in denen damals alles begann: die Stadthalle Erding, Tivoli in Hamburg, Quatsch Comedy Club in Berlin, ein paar ganz kleine Läden auch, alle längst gebucht. Aber ob Indoor-Veranstaltungen im Juni schon wieder erlaubt sein werden? Mittermeier setzt darauf, zur Not wenigstens Open Air auftreten zu können: »Ich will und werde Spaß haben. Wenn die Zuschauer im Sommer draußen weit auseinander sitzen, mit Maske auf dem Gesicht, dann wird das selbst Karl Lauterbach sicher finden.«
Debatten mit Impftrollen und Querdenkern
Momentan vertreibt Mittermeier sich die Zeit mit seinem Onlineprogramm »Open Mike«, das er ohne Publikum im Vereinsheim in München aufnimmt und immer freitags via YouTube, Instagram und Facebook ausspielt. Das bringt ihm kein Geld, aber viel Feedback – nicht nur von Fans, sondern immer wieder auch von Impftrollen und Querdenkern. Jede Woche beantwortet Mittermeier laut eigener Auskunft persönlich ein paar Hundert Kommentare. »Ich habe ja Zeit gerade. Ich habe mich da schon mit ein paar sehr heftigen Idioten gebattelt.« Neulich habe ihn ein Querdenker sogar zu einer Demo eingeladen. Mittermeier lacht. »Nur weil ich hin und wieder einen kritischen Witz mache, heißt das doch nicht, dass ich die Existenz des Virus leugne, die Anti-Corona-Maßnahmen ablehne, das System, das Impfen und Karl Lauterbach. Das sind fünf Wünsche auf einmal, das funktioniert nicht mal bei einem Ü-Ei.«
Parallel zu seiner Onlineshow arbeitet Mittermeier an einem neuen Buch. »Im Februar, als es immer finsterer wurde um mich herum, habe ich gemerkt: Ich brauche ein Ziel jenseits der Möglichkeit, irgendwann wieder auftreten zu können.« Man könnte sagen, er brauchte einen neuen Lichtschalter. »Ich brauchte etwas, das ich bestimme und nicht dieses Virus. Egal, wie viel mir das Virus auch in die Fresse gibt.«
Schreiben als Selbstverteidigung.
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