
Manchmal gibt man sich beim Trash-TV-Genuss nach all den Jahren ja immer noch gern der Illusion hin, man sehe hier einfach Menschen beim Menscheln zu. Die eben so zufällig oder von einer höheren Macht zusammengefunden hätten wie die Passagiere eines U-Bahnabteils oder das Teilnehmerfeld eines Moosgummibastelkurses an der Volkshochschule.
Bei aller berechtigten Vergrämung durch fiese Formatverläufe will man irgendwie ja doch glauben, dass allein das pochende, liebessehnende Herz die Galane des noch limousinenwarmen »Bachelorette«-Sortiments schicksalshaft zur aktuellen Auswählerin Maxime führte, ähnlich unaufhaltsam getrieben wie Lassie, die es von sonstwoher doch stets verlässlich nach Hause zieht – und sie nicht von kühl kalkulierenden Produktionsteams mit Taktiktafeln und maximalem Schmalzoutput im Sinn zusammengestellt wurden wie ein gut sortierter Wurstpräsentkorb.

Auch Gina-Lisa-Lohfink wird an den Strand geschippert
Foto: RTLZWEIUnd dann gibt es manchmal Formate, die so kunstvoll konstruiert sind, dass es gerade Spaß macht, dieses strategische Skelett zu bewundern. Wie die Premierenfolge der neuen Staffel von »Kampf der Realitystars« (KDRS), dem personalverschwenderischen Trash-Wimmelbild von RTL2, bei dem ständig neue Charaktere an den thailändischen Strand herangerudert werden, wenn die Sozialstruktur der Gruppe allzu stabil zu werden droht.
Schon der Start-Cast dieser neuen Staffel ist so clever besetzt, wie man es lange nicht bei einem ähnlichen Format sah. Zuletzt bediente man sich dabei ja vor allem bei hastig aus generischen Anfassformaten zusammengeklaubten Notprotagonisten und -protagonistinnen mit gerade aufgeblähter Souffléprominenz von extrem überschaubarer Haltbarkeit.
»Berühmt geworden durch die Worte Fick und Fertig«
KDRS kombiniert nun derlei Füllmasse sehr vielversprechend mit erfahrenen Trash-Zossen wie Claudia Obert (die sofort nach ihrer Ankunft rollentreu und pichelnd ein Lied mit dem Text »Hoch die Tassen, Geld verprassen« anstimmt), schürft aber auch tief in der Personalarchäologie des Genres, um ikonische Darstellerinnen wie Narumol, die womöglich prominenteste »Bauer sucht Frau«-Kandidatin überhaupt, wieder auszugraben – sie stellte sich mit einem in gleichem Maße tragischen wie schönen Satz vor: »Ich bin berühmt geworden durch die Worte Fick und Fertig.«
Im Laufe der Staffel soll auch Cosimo zum Cast stoßen, der mysteriös filigranbärtige »Deutschland sucht den Superstar«-Kandidat aus den Nullerjahren, der zuletzt unverständlicherweise mit seiner Single »Ketchup Mayo Sandwich« gar nicht mal so viel Erfolg hatte – sein Comeback ist wirklich etwas für Connaisseure. Auch Walther von »Schwiegertochter gesucht« ist ein Veteran des Genres, der in seinen flamboyanten Oberhemden optisch an – noch eine Reminiszenz für Genre-Traditionalisten – einen erwachsenen Walter aus »Die Abschlussklasse« erinnerte, der sich für eine Mottoparty als Vater von »Malcolm mittendrin« verkleidet hat.
Mit »Bailando«-Sängerin Loona ist auch eine Trash-TV-Novizin dabei, die interessanteste Besetzung aus dieser »Neuling«-Sparte wurde leider in der ersten Folge direkt abgewählt: Mit Paul Elvers gab der Sohn von Jenny Elvers und »Big Brother«-Pionier Alex Jolig sein Genredebüt.
Das allein wäre schon Stoff für einen dystopischen Roman, in dem zynische Produzenten zwei Trash-Premium-Performer zusammenführen, um aus dieser Paarung womöglich den ultimativen Kandidaten zu erschaffen. Pauls brustfüllende Tätowierung »Trust no one außer Mutti« jedenfalls war schon mal sehr vielversprechend. Bei Kandidatin Jenefer Riili, bekannt aus »Berlin Tag und Nacht«, bei der die Geschichte ihres eigenwillig buchstabierten Vornamens zumindest eine Kurzgeschichte hergibt.
Konfliktversprechende Beziehungsgeflechte
Zusätzlich zu diesem hochkarätig kombinierten Gast hat die Produktion bereits in der ersten Folge eine ganze Polonaise personaler Verflechtungen angeschubst, die für den Rest der Staffel viel aufgewärmtes Ungemach verspricht.
Kaum erzählt Loona von ihrer seinerzeit zu PR-Zwecken vorgetäuschten Beziehung zu Gina-Lisa Lohfink, kommt natürlich genau die herangeschippert. Der nächste Neuzugang ist der sofort aufs Unangenehmste herumadelnde Prinz Frédéric von Anhalt, mit dem Gina-Lisa seit einem gescheiterten Adoptionsversuch tiefe Abneigung verbindet. Die Vorschau verspricht, dass bald auch noch Kader Loth angespült werden wird, der der Prinz bei anderer Gelegenheit schon mal ins Badewasser pinkelte. Und dann steht ja auch noch der He-Man-und-Skeletor-mäßige Showdown zwischen dem »Sommerhaus«-Bachelor und Chris Broy im Raum.
Das Trash-Genre, das man zuletzt mit der enttäuschenden Pro7-Neuauflage von »Die Alm« mal wieder quasi durcherzählt glaubte, bäumt sich mit KDRS also noch einmal vielversprechend auf. Falls dessen Cast dafür nicht reicht, hatte Claudia Obert bei dem Versuch, einen Neuankömmling aus der Ferne zu erkennen, noch eine andere vielversprechende Idee: »Ist das Pfarrer Fliege?«
Sendetermine der weiteren Episoden bei RTL2: mittwochs um 20.15 Uhr, bis einschließlich 15.09.2021
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