
Cartoon von Ralf König: Eher »alterspeinlich« als »altersmilde«
Foto: Ralf KönigAus dem Vorwort des Buches schaut dem Leser »Marie Coronette« entgegen, eine ältere Dame, aufgetakelt, der Ralf König ein Zitat in den Mund gelegt hat, das historisch zu nennen allenfalls leicht daneben wäre: »Wenn das Volk kein Klopapier hat, soll's Servietten nehmen!«
Ja, so war das im März, als alles losging: der erste Lockdown, die ersten Corona-Comics von Ralf König auf Facebook. Es gab nicht viel zu lachen in den Monaten seither – nur eben über diese Comics vielleicht: Von März bis Oktober veröffentlichte der Kölner Zeichner beinahe täglich eine Episode auf Facebook und Twitter. Der Rowohlt Verlag hat nun alle in einem Buch gebündelt, ergänzt um unveröffentlichte Bonusfolgen. Der Titel: »Vervirte Zeiten«.
Kulturmensch und Ledersau
Im Zentrum stehen Konrad und Paul, ein alterndes Paar, das ungleich zu nennen hoffnungslos untertrieben wäre. Konrad ist ein distinguierter Kulturmensch, Paul eine testosteronbesoffene Ledersau, die sich alle knollennaselang in irgendeinen Jungspund verguckt. Im Frühjahr ist Paul noch zuversichtlich, dass die neue Normalität sich nicht allzu sehr von der alten unterscheiden wird. Die Hochzeit von Felix und Jerome zum Beispiel: Die wird ja wohl stattfinden können. »Jens Spahn verbietet doch keine Homo-Ehe.«
König gilt als weltweit populärster Autor schwuler Geschichten. Er ist im vergangenen Jahr 60 geworden, aber in seinen Comics hat er noch immer den Humor eines 16-Jährigen: ein bisschen versaut, mit großem Spaß an der kleinen Provokation.
Manchmal fühlen sich Königs Figuren an die Achtziger- und Neunzigerjahre erinnert, an die große Angst vor HIV, doch nicht mal Safer Sex nützt ihnen was in Zeiten, in denen einem jederzeit wer aufs Kondom niesen kann. Immerhin: Sex via Skype und Zoom hat die Gegenwart neu im Angebot.

In den meisten seiner Corona-Comics setzt König keine klassischen Pointen, sondern viel eher auf die Absurdität der Dialoge, die viele Menschen tatsächlich geführt haben in diesen Zeiten, ganz egal, ob sie homo-, hetero- oder sonstwiesexuell sind. Da sind die erwachsenen Kinder, die sich plötzlich danach verzehren, die Eltern im Altenheim zu besuchen, die sie doch vor Corona dort nie besucht haben. Da sind die Paare, die sich nun von früh bis spät sehen, weil das Büro, die Bar, das Kino ins heimische Wohnzimmer gequetscht worden sind, Homeoffice, Homedrinking, Homedating. Nicht mal mehr Ruhe zur Selbstbefriedigung finden sie. Da ist der Leiter des örtlichen Supermarkts, der plötzlich zum Sexsymbol wird.
Königs schwuler Held Paul schreibt ihm ein Gedicht: »...und diese Brust, die schön behaarte, gibt's die auf REWE-Paybackkarte?« Sexsymbol sein: Auch das kann eine systemrelevante Aufgabe sein in Zeiten, in denen der öffentliche Raum so frei von Reizen ist.
Die Hosen runterlassen
Der »taz« hat König vor einigen Monaten in einem Interview anlässlich seines 60. Geburtstags gesagt, er werde eher »alterspeinlich« als »altersmilde«. Für einen Karikaturisten sind das nicht die schlechtesten Voraussetzungen. Kunst: Das bedeutet für König, die Hosen runterzulassen – die seiner Figuren und im übertragenen Sinne auch seine eigenen.
Er gehört zu jenen Komikern, die über sich selbst lachen können und noch wichtiger vielleicht: zu jenen Komikern, bei denen auch das Publikum über sich selbst lacht. Wer lacht, gewinnt Distanz zu den Dingen und zu sich selbst. Wann wäre das je nötiger gewesen als jetzt?
»Der Humor ist verzweifelt«, sagt Königs Figur Konrad einmal, »aber wir sollten ihn nicht verlieren.«
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